Eddie Martinez

Encounters

© Claudia Kempf

Eddie Martinez kam in dem kleinen Ort Newton in Kansas, USA, zur Welt und erinnert sich immer noch gerne an seine Kindheit dort im Mittleren Westen, wo viele seiner Familienmitglieder bis heute leben. „Es war ein schöner Ort, um als Kind aufzuwachsen, aber später in meinen Teenagerjahren wollte ich das echte Stadtleben erleben!“ Mit 18 Jahren und ohne jede Sorge beschloss er, in die „große Stadt" zu ziehen und die Wichita State University zu besuchen, wo er seine erste Jazztanzklasse überhaupt ausprobierte. Nachdem er in die Tanzklasse an der Universität gewechselt hatte, beschloss Eddie, einen Bachelor-Abschluss anzustreben und seiner Liebe zum Tanz nachzugehen. Nach fünf Jahren ging er nach New York, um dort als Tänzer Karriere zu machen. Es war eine harte Zeit: „Ich habe mehr gejobbt als getanzt,“ nur um leben zu können.

Zu der Zeit gastierte Pina Bausch mit ihrem Tanztheater an der Brooklyn Academy of Music (BAM) in New York. Zufällig lernte Eddie Martinez den damaligen Geschäftsführer der Compagnie, Matthias Schmiegelt, kennen. Er ermöglichte dem Tänzer die Teilnahme an einer Audition. Das Ensemble zeige Palermo Palermo und Eddie Martinez dachte, „das ist total verrückt, was die auf der Bühne machen. Ich hatte so eine Tanzvorstellung, mit so vielen Theaterelementen, noch nie gesehen.“ Das Vortanzen bei Pina Bausch war eine Erfahrung, die er nie vergessen wird. Er lernte Bewegungsfolgen aus Das Frühlingsopfer aber auch aus Arien, Viktor und Kontakthof, und war vollkommen überwältigt von dieser neuen Art, sich durch Bewegung auszudrücken. „Wie soll ich mich an euch erinnern?“, fragte Pina Bausch am Ende der Audition. Eddie Martinez sagte: „I’m from Kansas.“ Pina Bausch entschied sich tatsächlich für den Jungen aus Kansas, so dass der amerikanische Tänzer vier Monate später 1994 nach Wuppertal zog – glücklich, endlich in Vollzeit als Tänzer bei Pina Bausch zu arbeiten.

„Die ersten drei Jahre in Wuppertal waren sehr hart“, erinnert er sich. Es sei ein Kulturschock gewesen, er konnte kein Deutsch und musste sehr schnell ein ganz neues Repertoire lernen. Nur Du, die amerikanische Koproduktion, war sein erstes neues Stück, eine prägende Erfahrung. „Man musste improvisieren und eigene Bewegungskombinationen ausdenken und zeigen – das war für mich eine ganz neue Art zu arbeiten.“

Seit 2012 hat er seine Liebe für Choreographie und fürs Unterrichten entdeckt. In Workshops lässt er die Tänzer Fragen beantworten und Aufgaben lösen – ein bisschen wie Pina Bausch. „Ich sehe heute, wie schwer das für die Leute ist. Du musst vor deinen Kollegen etwas von dir preisgeben, es präsentieren, und den Mut haben, deine Hemmungen zu überwinden. Vertrauen ist nicht leicht.“ Wenn er an Pina denkt, sagt Eddie Martinez: „Ich bin immer noch hier in Wuppertal, weil ich immer noch an Pina und ihre Arbeit glaube und weil ich ihre Leidenschaft und unglaubliche Arbeitswut weitergeben möchte.“